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Désirée Nick Die spitzeste Zunge der Nation im Talk

Désirée Nick im Interview mit Ländle24 über Reality-TV, politcal correctness und dem Phänomen der "Ja-Sagerei". Hier geht's zum kompletten Interview.
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Foto: Gräfe und Unzer Verlag KIKE Photography

"Dschungel-Königin 2004", "Promi Big Brother", "Promis unter Palmen" – sie sind vielen Menschen vordergründig als Reality-TV-Star bekannt. Scharfe Zunge, spitze Kommentare und eine unverblümte Direktheit – so kennen sie die meisten. Diese Fassade scheint jedoch das eigentliche künstlerische Dasein und Leben der Désirée Nick als Schauspielerin, Theaterkünstlerin und Autorin überlagert zu haben. Bereits seit 1987 sind Sie kontinuierlich in renommierten Theateraufführungen und Bühnenshows zu sehen. Dadurch stellt sich die Frage: Inwiefern unterscheidet sich die Künstlerin von der Reality-TV-Persönlichkeit Désirée Nick – oder gibt es hier gar keinen so starken Widerspruch?

"Das Theater ist immer wahrhaftig. TV ist hingegen stets eine Momentaufnahme bei der man die Kontrolle abgibt. Über das, was ich jenseits des TVs mache habe ich vollste Kontrolle, beim TV werden Schnipsel aneinandergeschnitten und andere entscheiden, was gezeigt wird und noch mehr entscheiden sie, was nicht gezeigt wird. Sehr selten wird das Wertvolle, das Metaphysische, das Feinfühlige gezeigt. Und speziell in meinem Fall wird die Eigenironie rausgeschnitten. Es geht eigentlich nur um Krawall. Eine Erfahrung, die nicht nur ich mache, sondern auch viele andere meiner Kolleginnen und Kollegen. Ich weiß nicht, warum das Fernsehen immer glaubt, dass es damit punkten kann, wenn es Menschen aufeinander losgehen lässt oder Sachen extrem zuspitzt, weil das ist nie die Wahrheit. Die Wahrhaftigkeit findet dann in eigenen Abenden und Formaten statt. In meinem Podcast, meinen Shows und meinen Büchern habe ich genügend Elemente wo man mir authentisch begegnet. Ich bin dennoch aber froh (im Fernsehen auszutreten), weil man mit nichts mehr Publikum erreichen kann als mit TV. Darauf möchte ich auch künftig nicht verzichten."

 

Neben den bereits aufgeführten Tätigkeitsfeldern sind Sie auch auf Social Media sehr aktiv, darunter Facebook und Instagram. Sie betreiben nun auch schon länger einen Podcast mit dem Titel "Lose Luder", was zeichnet laut ihnen ein "loses Luder" aus?

"Naja, das ist ja eine Ironie. Damit meine ich Frauen, die sich auf ungewöhnliche Art und Weise in der Öffentlichkeit behaupten und die unter Einsatz der ihnen stehenden Möglichkeiten sich irgendwie Öffentlichkeit und Präsenz verschafft haben. Es waren ja bereits eine Franziska Giffey (Ex-Oberbürgermeistern der Stadt Berlin), Karl Lauterbach (Gesundheitsminister), Gregor Gysi (die Linke) bei mir im Podcast mit dabei. Ich möchte sagen, es sind Menschen mit Kontur und starke Persönlichkeiten. Egal auf welchem Level. Da sieht man ja die breitgefächerte Bandbreite, aber dennoch "Lose Luder", weil es sind ja letzten Endes Frauengespräche sind. Es kommen zwar immer wieder Männer, aber doch nur sehr kontroverse oder Männer, die den Rahmen sprengen. Es ist ein Podcast für Frauen."

 

"Nein ist das neue Ja", ein weiterer Spiegel-Beststeller von Ihnen, analysiert und beschreibt mit spitzem Stift die Problematik einer Gesellschaft die zu selten "Nein" sagt. Dabei raten Sie den Leserinnen und Lesern, dieses "kostenlose" Wort zu nutzen, unter anderem, um mehr Zeit für die individuell wichtigen Dinge im Leben zu gewinnen. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, das Menschen primär "Ja" sagen und was raten Sie?

"Wenn man nicht nein sagen kann, wird man natürlich in Sachen hineingezogen, in denen man oft das Nachspiel ausbaden muss. Es richtet sich an Leute, die Schwierigkeiten haben, anderes zu sein als gefällig. In unserer Gesellschaft soll man nach außen hin zumindest nicht auffallen. Es allen auf allen Ebenen recht machen. Ich meine auch Karriere, Haushalt, Kinder - es ist ja alles ein Programm und eine permanente Herausforderung. So denke ich, dass das "Nein" ein wunderbares Mittel ist, um im Leben zu selektieren, abzugrenzen, um Entscheidung zu treffen und um sich zu positionieren. Es wundert mich immer, wie viele Leute von diesem kostenfreien Mittel so wenig Gebrauch machen. Wahrscheinlich, weil Gesellschaft und Politik uns darauf geeicht hat, alles abzuknicken. Das Buch ist auch fast schon satirisch und gesellschaftskritisch. Bücher wie dieses sind Werke, in denen ich verschiedene Aspekte der betreffenden Thematik beleuchte, aber im Ganzen handelt es sich natürlich um Unterhaltungsbücher. Ich schreibe keine soziologischen Bücher."

 

Bezogen auf die aktuellen Weltgeschehnisse: Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, steigende Inflation, Corona-Pandemie etc. wirken sich ja auf verschiedensten Ebenen auf die soziale und wirtschaftliche Situation der Menschen aus. Man könnte den Eindruck gewinnen, das vielen zumindest die Option, "nein" zu sagen, nur noch begrenzt möglich ist?

"Ich glaube, dass die Umstände davongaloppiert sind und es ganz anders ist, als dargestellt. Deutschland muss sich ganz neu orientieren und aufstellen, da es in solchen Zwängen und Abhängigkeiten eingebunden ist, so dass die eigentliche Politik des eigenen Landes gar keinen Raum und gar keine Zeit mehr hat. Es gibt ja nur noch andere Sorgen, also Sorgen für alles andere. Ein Parteiprogramm umzusetzen ist doch ein Witz. Davon ist doch schon lange keine Rede mehr. Es wird ein Programm vorgestellt, welches sich mit allen möglichen Themen des Volkes abarbeitet und welches nach der Wahl fallen gelassen wird. Dann geht es direkt an die Außenpolitik, Zwänge und Abhängigkeiten. Man fragt sich, wie es so kommen konnte bei all den Möglichkeiten, die die Globalisation hat. Ich würde sagen, Deutschland hinkt da mächtig hinterher. Ich verstehe mich aber nicht als jemand, der über Politik zu belehren oder aufzuklären hat - das sollen andere machen."

 

Bleiben wir aber gerne noch etwas politisch. Kabarett, politische Satire und Comedy stehen gehäuft in der Kritik, zu plakativ, grenzüberschreitend oder diskriminierend zu sein. In der Vergangenheit war in anderen Artikeln auch Ihnen gegnüber dieser Vorwurf entgegenbracht worden. Wie gehen Sie persönlich mit Vorwürfen dieser Art um ihre Person oder ihrem Programm um?

"Entschuldigen Sie mal, gucken sich dich doch mal die Leute an, die diese Urteile über "politcal correctness" fällen. Was sind denn das für Menschen? Das sind weder Literaten, noch Theaterleute, das sind Leute, die weder in Humor noch in Satire, noch Kreativität, Kunst oder Kultur jemals Spuren hinterlassen haben. Die haben in etwa so viel Expertise darin, darüber zu urteilen, wie ich es hätte, wenn ich eine Beschwerdestelle für Gabelstapler oder Schmierstoffe leiten sollte. Wer sind denn die, die das verhängen? Das sind weder die Witzigsten, noch Menschen, die der Welt Amüsement, Freude, Kunst oder gar Kultur schenken. Darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten."

 

"Der Lack bleibt dran - mein ultimatives Anti-Anti- Ageing-Buch" ist Ihr aktuelles Werk, dort werben Sie mit der Aussage, 60 sei das neue 40, und die damit verbundenen Möglichkeiten, sich freier zu entfalten. Sie spielen darin mit ihrem Alter und zelebrieren das Leben in vollsten Zügen - weit weg von einem konservativem Kollektiv. Woher stammt dieses Selbstverständnis zur Selbstentfaltung und dem dazugehörigen Selbstbewusstsein?

"Das habe ich mir erarbeiten müssen, da mir nichts andere übrigblieb und weil ich mich nicht an anderen orientiere, sondern nur an mir und meine Talente ein Leben lang entfaltet habe. Es wird viel zu tun haben mit meiner Unabhängigkeit. Ganz besonders sage ich nein zu "Ageism" - der Hass auf über 50-Jährige. Nach den Debatten um "Sexismus", nach "LGBTQ", "Rassismus" kommt unter Garantie die Debatte um "Ageism", weil alles was man in den anderen Gruppen nicht ablassen kann bzw. zurückhalten muss., dass darf alles auf die Alten abgeschauckelt werden, denn die haben keine Lobby und machen einen Großteil der deutschen Gesellschaft aus. Da müssen wir noch viel machen."

 

 

 


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