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KKH

Immer mehr Menschen geraten in eine Angstspirale

Alarmierende Entwicklung: Vor allem jüngere Menschen zwischen zwölf und 17 Jahren sind betroffen. Die gute Nachricht dabei: Niemand ist seinen Ängsten hilflos ausgeliefert.
DAS SMARTPHONE ALS ANGSTAUSLÖSER: Desinformation in den Social Media, Cybermobbing und Mediensucht führen neben anderen Faktoren dazu, dass behandlungswürdige Angsterkrankungen bei den zwölf- bis 17-jährigen extrem zugenommen haben.

DAS SMARTPHONE ALS ANGSTAUSLÖSER: Desinformation in den Social Media, Cybermobbing und Mediensucht führen neben anderen Faktoren dazu, dass behandlungswürdige Angsterkrankungen bei den zwölf- bis 17-jährigen extrem zugenommen haben.

Bild: stock.adobe.com/myboys.me

Jeder Mensch kennt Ängste – ob vor dem Verlust nahestehender Menschen, vor Einsamkeit, einer Covid-Infektion oder aktuell einem Krieg. Ängste sind überlebenswichtig, da sie uns warnen und vor Gefahren schützen.
Bei immer mehr Menschen aber machen sich Sorgen in der Form breit, dass sie entgleisen und das Leben massiv aus dem Lot bringen. Das zeigen Daten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). So nahmen behandlungswürdige Angsterkrankungen von 2010 auf 2020 um 39 Prozent zu, bei Männern sogar um 58 Prozent. Auffallend hoch ist der Anstieg bei jungen Menschen: bei den 18- bis 24-jährigen um 51 Prozent, bei den zwölf- bis 17-jährigen sogar um rund 82 Prozent. Das sind alarmierende Zahlen.
 

Flucht vor Angstauslösern führt unweigerlich in die Sackgasse

Krankhafte Ängste sind neben Depressionen die häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. „Betroffene Menschen haben eine übersteigerte Furcht vor bestimmten Situationen, Personen oder Gegenständen, die für ihre Mitmenschen normal und nicht bedrohlich sind. Ihre Sorgen bestimmen das Denken, Fühlen und Handeln dauerhaft und nehmen ihr Leben in den Klammergriff“, beschreibt Dr. Aileen Könitz, Ärztin und Expertin für psychiatrische Fragen bei der KKH.
„Betroffene fühlen sich ohnmächtig und hilflos. Aus Furcht vor Panik und Kontrollverlust meiden sie die Angstauslöser, ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück und vereinsamen.“ Doch die Flucht – sei es durch Unterdrücken der Gefühle oder deren Betäubung mit Alkohol oder Beruhigungstabletten – führt unweigerlich in die Sackgasse, denn unbegründete und unbehandelte Ängste können sehr schnell chronisch werden und zu Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Sucht führen. Probleme mit Partner, Familie, Freunden, im Berufsleben und im Verein sind vorprogrammiert.
 

Wie sich Krieg, Krankheit und andere Krisen auswirken können

Seit mehr als zwei Jahren bestimmt vor allem ein Thema unser Leben: Corona. Aktuell ist es nur noch ein Randthema, denn in Europa herrscht Krieg, der seit Tagen unsägliches Leid in der Ukraine verursacht. Wer entwickelt da – auch außerhalb des Krisengebietes – keine Ängste?
„Für Menschen mit einer Angsterkrankung können solche Ereignisse wie ein Brandbeschleuniger wirken und ihr eh aus dem Gleichgewicht geratenes Leben zusätzlich psychisch destabilisieren“, so die Expertin. Symptome krankhafter Angst wie Atemnot, Herzrasen, Zittern, Übelkeit, Erbrechen bis hin zu Todesängsten können verstärkt auftreten.
Zu den Ursachen von Angststörungen zählen belastende Ereignisse wie Gewalt, Scheidung oder finanzielle Sorgen, aber auch Stress sowie eine genetische Veranlagung. Auch eine Erkrankung von Herz oder Lunge oder eine Depression können Auslöser sein.
„Bei jungen Menschen befördern Zukunftsängste wie aktuell durch den Krieg in Osteuropa, aber auch den Klimawandel die Entwicklung einer Angsterkrankung, ferner der Konsum sozialer Medien und damit verbundener Risiken wie Desinformation, Cybermobbing und Mediensucht“, erklärt Aileen Könitz. „Über alle Altersgruppen hinweg dürften die Globalisierung und Digitalisierung und der damit verbundene Wandel sozialen Miteinanders sowie existenzielle Risiken Angststörungen forcieren.“
 

Raus aus der Angstspirale – aber wie findet man den Weg?

Betroffene gehen häufig wegen der körperlichen Symptome wie Atemnot, Schwindel oder Magen-Darm-Problemen zu ihrem Hausarzt. Häufig verschweigen sie dabei Gefühle wie Ohnmacht, Kontrollverlust und Panik aus Scham und Sorge, als labil und nicht leistungsfähig zu gelten. Daher werden Angsterkrankungen oft spät oder gar nicht erkannt.
„Es braucht Mut, sich seine Ängste einzugestehen und darüber zu sprechen“, weiß Könitz. „Doch genau das ist der erste entscheidende Schritt, um seine Erkrankung in den Griff zu bekommen. Denn niemand ist seinen Ängsten hilflos ausgeliefert.“ In der Regel überweist der Hausarzt an einen Psychotherapeuten oder Psychiater. Angsterkrankungen sind heute gut behandelbar – mit psychotherapeutischen Maßnahmen und/oder medikamentös.


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