Blütenzauber zwischen Steinen
Moment mal – ein Steingarten? Das klingt doch eher nach grauer Wüste als nach bunter Blütenpracht? Björn Poltermann, Staudengärtner aus Erfurt, kennt dieses Missverständnis: „Grau und leblos, das sind diese kaum oder gar nicht bepflanzten Schottergärten, die in den letzten Jahren leider in Mode gekommen sind. Steingärten dagegen haben eine lange Tradition und damit überhaupt nichts zu tun.“
Worin liegt der Unterschied? „Steingärten sind bepflanzt, Stauden und Steine ergänzen sich gegenseitig. Mir persönlich gefällt es gut, wenn sie aussehen wie ein Stück Natur. Botanisch interessierte Sammler pflanzen in ihrem Steingarten ausschließlich Arten aus dem Hochgebirge ein und legen ein sogenanntes Alpinum an.“ So genau muss man es aber nicht nehmen, denn die Auswahl an unkomplizierten Stauden ist erfreulich groß.
Genügsam und bescheiden: Echte Sonnenanbeter unter sich
Pflanzen, die zu Füßen von Findlingen oder in den Ritzen und Spalten zwischen Steinen wachsen, sind bescheiden und verlangen nicht viel, erzählt der Experte: „Viele dieser Stauden sind Überlebenskünstler. Sie sollten nicht gedüngt werden, und auch ein Rückschnitt ist nicht nötig.“ Dafür ist der Lichtbedarf der meisten Arten hoch.
Da viele der Stauden in Gebirgen heimisch sind, sind sie nicht nur an volle Sonne angepasst, sondern trotzen auch dem Frost. Wenn sie den Winter nicht überstehen, liegt das oft gar nicht an den Minusgraden, sondern an Staunässe, weiß Poltermann: „Wasser muss gut ablaufen können, das ist im Steingarten besonders wichtig.“ Schwere Lehmböden lassen sich mit Sand oder Kies durchlässiger machen.
Das Beobachten der Pflänzchen zählt Poltermann zu einer der wichtigsten und schönsten Aufgaben im Steingarten: „Es ist immer faszinierend zu beobachten, wie sich zum Beispiel Glockenblumen selbst aussäen und sich ihren Platz selbst suchen. Umgekehrt muss ich ganz genau hinsehen, ob sich zwischen den Steinen etwas ansiedelt, was ich dort nicht haben will. Wenn ich einen Löwenzahn aus einer Spalte herausziehe, brauche ich schon ein wenig Fingerspitzengefühl. Dafür ist das genaue Hinsehen und Jäten entspannend. Da komme ich zur Ruhe.“
Platz ist in der kleinsten Ritze: von Fugenfüllern und Blütenvorhängen
Sie haben Lust auf Blütenpracht, aber keinen Platz? Macht nichts, Steingarten-Stauden brauchen kein eigenes Beet. Die genügsame Hauswurz gedeiht mit ihren Blattrosetten auch in Gefäßen oder kleinen Steintrögen. Für Trockenmauern in Hanggärten sind vor allem jene Arten geeignet, die ihre Blütenpolster wie einen Vorhang über das Grau der Steine hängen wie das Blaukissen, und für Fugen zwischen Trittplatten ist Sand-Thymian ideal - er nimmt es auch nicht übel, wenn man ab und auf ihn tritt. Bloß barfuß sollte man nicht darauf laufen: „Wenn er blüht, sind dort fast immer Wildbienen oder andere Insekten zu Gast.“ Denn auch hier ist ein Steingarten das Gegenteil eines stummen Schottergartens: Er ist nicht nur bunt, sondern er summt auch noch.
GHM/BdS