(7) "Aktiv bleiben" trotz #wirbleibenzuhause

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Wie man das Leben durch Achtsamkeit entspannt und gelassen meistern kann.

Bild: stock.adobe.com/lev dolgachov

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Arbeiten im Home-Office, kein geregelter Arbeitstag, die Kinder sind aufgrund der geschlossenen Schulen und Kindergärten seit Wochen zu Hause: das kann manch einem an und auf die Nerven gehen. Die derzeitige Situation ist für viele Menschen auch rein psychologische Ausnahmeerscheinung, Stress ist da oft fast vorprogrammiert.
 
Sybille Sauter ist bei der AOK Ostwürttemberg nicht nur als Ernährungsberaterin tätig, sondern leitet dort in normalen Zeiten auch Gruppen auf Basis des von AOK-Experten entwickelten "Lebe Balance"-Konzepts. Dort kommen Menschen zusammen, die genau die eingangs beschriebenen Situationen tagtäglich erleben - und professionelle Hilfe bei der Stressbewältigung benötigen.
 
Gelegentlicher Stress kommt im Alltag jedes Menschen mal vor - und geht auch wieder weg. Akute Stresssituationen könnten wir in der Regel problemlos wegstecke, sagt die AOK-Experten Sybille Sauter. Denn eigentlich ist Stress im ersten Moment positiv zu sehen. Dabei handelt es sich nämlich um einen harmlosen, dennoch lebensnotwendigen Prozess, den das Gehirn auslöst, um den Körper für eine Bedrohung zu wappnen.
 
Stressreize bewirken innerhalb kürzester Zeit den Anstieg von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin im Blut. Registriert das Gehirn den hohen Cortisolwert und ist die stressige Situation vorbei, stoppt es die Freisetzung. Es folgt eine Phase der Erholung und des Ausgleichs. Zwar belastet eine gelegentliche Stressreaktion den Körper kurzfristig. Gleichzeitig aber erhöht sie die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit. "Wenn man es nun aber nicht wieder schafft, den Stress im Körper runterzufahren, dann läuft man Gefahr, dass darauf schnell eine Dauerredaktion entsteht", sagt die "Lebe Balance"-Leiterin Sauter. Die Folge ist, dass aus gelegentlichem Stress plötzlich dauerhafte, chronische Erkrankung entsteht.
 
Und das hat Folgen: ständiger Stress, ob beruflich, familiär oder aus mehreren Gründen gleichzeitig, wirkt sich häufig negativ auf die Gesundheit aus und kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder psychischen Erkrankungen wie Burn-out führen. Eine dauerhafte Überlastung mindert deshalb nicht nur die Lebensqualität, sondern kann richtig krank machen. Der Problem von chronischem Stress liegt darin, dass dabei die Erholungsphase fehlt. "Steht der Körper im Alltag andauernd unter Stress, bleibt er in Alarmbereitschaft. Die Stresshormone im Blut und der Blutdruck sinken nicht mehr auf Normalniveau", erklärt Sybille Sauter.
 
Stress macht krank. Das wüssten die meisten Menschen auch- und trotzdem leben und arbeiten viele Tag für Tag am Limit, weiß die AOK-Expertin. Zwar mache Stress kurzfristig hellwach und leistungsfähig, auf lange Sicht gehe es aber auf Kosten der Gesundheit. Das Resultat: der Betroffene erkrankt an auf den Stress zurückzuführende "Zivilisationskrankheiten": Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Störungen des Immunsystems, aber auch Muskelverspannungen und Rückenschmerzen, Gedächtnissstörungen, Verdauungsprobleme bis hin zu Burn-out und Depression. "Alles wird körperlich runtergefahren - und wenn man keine Erfolge feiert und sich nicht erholt, dann kommt man nur schwer aus dieser Situation heraus", so Sybille Sauter.
 
Stress äußere sich körperlich, emotional, ja grundsätzlich im Verhalten an sich. "Mal sind es Verspannungen, mal Bauchschmerzen. Dann wieder Wutausbrüche, Angst, Schlaflosigkeit", erläutert Sybille Sauter. Wieder andere neigten zum vielen Rauchen, die nächsten rennen ständig zum Kühlschrank, weil sie das als Beruhigung empfinden. "Tatsächlich hilft das aber alles nicht", so Sauter.
 
Sie rät zu aktiver Entspannung, zu Achtsamkeit. Das können ganz einfache Übungen sein, aber auch welche mit Struktur, die schon in Richtung Meditation gehen. "Einfach mal ganz bewusst bestimmte Dinge tun, kein Multitasking versuchen", sagt sie. Das könne schon mal das derzeitige 30-sekündige Händewaschen sein, wo man sich nur darauf konzentriere. Oder aber mal ein Fenster zu öffnen oder ins Freie zu gehen, die Augen verschließen und dem "Orchester der Welt" zu lauschen. "Mal genau hinhören und die Dinge wahrnehmen. Man wird erstaunt sein, was man alles hört, wenn man sich mal nur auf eine Sache konzentriert."
 
Oder, eine dritte Sache: sich mal ganz mit sich selbst beschäftigen, in sich hineinhören. "Wie geht's mir? Was beschäftigt mich, was stresst mich, wie kann ich das vielleicht ändern?", schlägt die AOK-Expertin vor. Diese Achtsamkeit (im Englischen "mindfulness") für sich selbst wirke sich auch positiv auf das eigene Befinden aus - auch aus gesundheitlicher Sicht. So gibt es laut Sybille Sauter auch Studien, die belegen, dass Menschen, die achtsam sind, auch ein stärkeres Immunsystem haben, entsprechend also gesünder leben. "Ein achtsames Leben ist es, worauf wir auch in unseren ‚Lebe Balance'-Kursen hinarbeiten." Denn dann blieben auch die Versicherten gesund. Und das liegt selbstverständlich auch im Interesse einer Krankenkasse wie der AOK.
Mathias Ostertag
 
So reagiert der Körper auf Stress
Herz-Kreislauf-System
Das Herz wird stärker durchblutet, es schlägt schneller und kräftiger. Der Blutdruck steigt. Im Gehirn und in den großen Muskeln weiten sich die Blutgefäße. Dagegen nimmt die Durchblutung der Haut, der Hände und Füße sowie der Verdauungsorgane ab.
 
Gehirn
Das Gehirn arbeitet unter Stress auf Hochtouren. Die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Hirns verstärken sich, die Sinne sind geschärft. Der Körper ist für kurze Zeit weniger empfindlich gegen Schmerz.
 
Lunge
Die feinen Verästelungen der Lunge (Bronchien) weiten sich, die Atmung wird schneller und flacher. Dadurch gelangt mehr Sauerstoff in den Körper.
 
Muskulatur
Die Durchblutung der Skelettmuskulatur steigt. Diese wird stärker mit Sauerstoff und Energie versorgt. Die Schulter-, Nacken- und Rückenmuskulatur spannen sich an. Reflexe werden schneller ausgelöst.
 
Stoffwechsel
Bei Stress stellt der Stoffwechsel mehr Energie in Form von Zucker (Glukose) und Fettsäuren bereit. Die Verdauungstätigkeit sinkt, um Energie für die Arbeit der Muskulatur zu sparen. Der Speichelfluss geht zurück, dadurch fühlt sich der Mund trocken an.
 
Wärmehaushalt
Durch die vermehrte Energieproduktion entsteht Wärme, die über die Haut abgegeben wird. Verstärktes Schwitzen schützt den Körper vor Überhitzung.
 
Sexualorgane
Bei Stress sinkt die Durchblutung der Geschlechtsorgane. Der Körper schüttet weniger Sexualhormone aus. Das sexuelle Verlangen geht dadurch zurück.
 
Immunsystem
Für kurze Zeit bilden sich unter Stress mehr Abwehrzellen im Blut. So kann das Immunsystem schneller auf Krankheitserreger reagieren.
 
"Lebe Balance": das AOK-Programm für Achtsamkeit
"Lebe Balance" ist ein Angebot für psychische Gesundheit. Es unterstützt Sie, den achtsamen Umgang mit sich selbst zu verbessern. Sie lernen so, Ihr Leben nach den Dingen auszurichten, die Ihnen wirklich wichtig sind.
"Lebe Balance" hilft Ihnen mit Achtsamkeitsübungen und Tests, Ihre Wünsche und Bedürfnisse besser kennenzulernen und Ihre persönlichen Schutzfaktoren zu stärken. Dazu gehört auch, Situationen anzunehmen, die nicht zu ändern sind. Ziel von "Lebe Balance" ist es, die Herausforderungen des Alltags besser zu meistern und dadurch gestärkt durchs Leben zu gehen. Das in dieser Form einzigartige Präventionsprogramm basiert auf den neuesten Erkenntnissen der Resilienz- und Psychotherapieforschung.
Es richtet sich an gesunde Menschen jeden Alters. Ein Team namhafter Forscher und Psychologen rund um Prof. Dr. Martin Bohus, wissenschaftlicher Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, hat das Lebe Balance-Konzept und seine verschiedenen Bausteine entwickelt. Weitere Infos auf aok.de