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Dramatischer Rückgang seit den 50-er Jahren

Deutschland hat einen neuen Vogel des Jahres: 2023 trägt das in Baden-Württemberg selten gewordene Braunkehlchen (Saxicola rubetra) diesen Titel.
SELTEN GEWORDEN IM SÜDWESTEN: Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) ist der Vogel des Jahres 2023. In Baden-Württemberg ist es bis auf wenige Rückzugsgebiete fast ganz verschwunden.

SELTEN GEWORDEN IM SÜDWESTEN: Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) ist der Vogel des Jahres 2023. In Baden-Württemberg ist es bis auf wenige Rückzugsgebiete fast ganz verschwunden.

Bild: Nabu/Maik Sommerhage

Bei der dritten öffentlichen Wahl des Nabu und des bayerischen Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) haben 134 819 Menschen mitgemacht. 58 609 Stimmen (43,47 Prozent) entfielen dabei auf das Braunkehlchen, 24 292 (17,99 Prozent) auf den Feldsperling und 22 059 (16,36 Prozent) auf den Neuntöter. Trauerschnäpper und Teichhuhn folgen leicht abgeschlagen.

Der kleine Wiesenvogel mit der braun-orange gefärbten Brust und Kehle fühlt sich wohl, wo er ungestört sein Nest am Boden bauen kann, etwa auf blütenreichen Wiesen und Brachflächen. Dort findet er auch Insekten und Würmer als Nahrung. Die meisten Paare brüten im Nordosten der Republik, generell singt der kleine Vogel bei uns nur noch halb so oft wie in den 1990ern, denn als Insektenfresser, Langstreckenzieher und Feldvogel ist er besonders gefährdet.

Vom Allerweltsvogel zum Kandidaten für das Aussterben

In Baden-Württemberg ist der Wiesenbrüter vom häufigen Allerweltsvogel innerhalb weniger Jahrzehnte zum Aussterbe-Kandidaten geworden. „1950 lebten noch rund 5000 Brutpaare bei uns, 1970 waren es fast nur noch 2600 und 1990 dann noch etwa 1500. Innerhalb der letzten 30 Jahre sind 2400 Brutvögel verschwunden, das ist dramatisch“, rechnet Vogelexperte Dr. Stefan Bosch vom Nabu vor. „Unermüdlich haben wir Vögeln wie dem Braunkehlchen Lebensraum und Nahrung entzogen und tun dies immer noch. Brachen werden überbaut, Äcker und Wiesen werden für Tierfutter häufig gemäht und gedüngt. Ackerränder mit Blüten werden mitbewirtschaftet, und auch Freizeitnutzung stört die Vögel mitunter beim Brüten. Den Absturz des Bestands bringt die neueste Rote Liste auf den Punkt: Landesweit sind noch 200 bis 320 Paare zu finden, die Hälfte davon brütet am Federsee, weitere Schwerpunkte liegen am Oberrhein, im Südschwarzwald und auf der Schwäbischen Alb. Obwohl die Ursachen und Bedürfnisse bekannt sind, geht der Schwund der Feld- und Wiesenvögel ungebremst weiter“, so Bosch.

Der Federsee ist das wichtigste Brutgebiet im Land

Das Braunkehlchen ist zwölf bis 14 Zentimeter groß. Sein Lebensraum sind Wiesen, Brachen und Feldränder oder Feuchtwiesen wie am oberschwäbischen Federsee, dem mit Abstand bedeutendsten Brutgebiet im Land. Dort findet es nach seiner Rückkehr aus dem 5000 Kilometer entfernten Winterquartier südlich der Sahara alles, was nötig ist. Das Feuchtgebiet ist von April bis August Lebensraum für 115 Braunkehlchen-Paare (Stand 2020). „Mit Hilfe eines landesweiten Wiesen- und Bodenbrüterprogramms könnten wir dafür sorgen, dass das Braunkehlchen wieder ganz Baden-Württemberg als Heimat entdeckt“, sagt Nabu-Landeschef Johannes Enssle. Er fordert die Landesregierung auf, ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen und die nötigen Finanzmittel für das Programm im kommenden Haushalt einzustellen. „Sechs Millionen Euro werden benötigt. Das sollte es uns wert sein, eine bedrohte Art und mit ihr viele weitere Arten zu retten.“

Siegerehrung in Abwesenheit des Hauptdarstellers

Seinen Titel „Vogel des Jahres“ bekommt das Braunkehlchen in Abwesenheit verliehen: Als Langstreckenzieher ist es im September gen Süden aufgebrochen, erst im April kehrt es wieder nach Baden-Württemberg zurück. Wie viele andere Zugvögel auch fliegen Braunkehlchen nachts, tagsüber suchen sie nach Nahrung oder ruhen sich aus. Nähere Information online unter www.vogeldesjahres.de.


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