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Wilhelma

Die letzten Orang-Utans verlassen die Wilhelma

Von Buschi bis Batak: Ende der Haltung nach 60 Jahren
Seit Januar 2022 leistete der Orang-Utan-Mann Batak (rechts) aus dem Tierpark Hagenbeck Karo (links)
und Moni vorübergehend Gesellschaft.

Seit Januar 2022 leistete der Orang-Utan-Mann Batak (rechts) aus dem Tierpark Hagenbeck Karo (links) und Moni vorübergehend Gesellschaft.

Bild: Wolfgang Mehnert

Einen freudigen Abschied nimmt die Wilhelma von ihren Sumatra-Orang-Utans. So geht eine denkwürdige Ära für den Zoologisch-Botanischen Garten positiv zu Ende oder erfährt zumindest eine markante Zäsur.

Am kommenden Dienstag, 12. Juli, reisen mit Moni, Karo und Batak die drei letzten Artgenossen ab, um in ihre neue Heimat in belgischen Zoos aufzubrechen.

 

Die Haltung der asiatischen Menschenaffen endet damit nach 60 schillernden Jahren - jedenfalls vorläufig. Freundinnen und Freunde der charaktervollen Tiere haben bis Montagabend Zeit, sie noch einmal in Stuttgart zu besuchen.

"Es gibt nur lachende Augen, wir schließen dieses Kapitel mit einem Happy End", sagt Direktor Dr. Thomas Kölpin. "Wir konnten alle gleichzeitig vermitteln, so dass keiner alleine zurückbleibt, und das in Zoos, die für Orang-Utans geeignetere Gehege haben als unser Provisorium. Es wird ihnen dort gut gehen."

Was nicht bedeutet, dass die Wilhelma dieses Buch dauerhaft zuschlägt. "Wir können uns eine Fortsetzung vorstellen, wenn es gelingt, die Voraussetzungen für eine moderne Haltung zu schaffen", betont Kölpin.

"Unsere Außenanlagen für Afrikanische Menschenaffen haben neue Maßstäbe gesetzt, den Standard wollen wir auch für Orang-Utans erreichen."

So sei der Neubau eines Asienhauses wünschenswert. Im Masterplan zur Weiterentwicklung der Wilhelma haben jedoch andere Projekte Vorrang: Aktuell entstehen ein Asiatischer Bauernhof und die Terra Australis für Koalas & Co.

Dann folgen eine Tigeranlage und das Großprojekt der Elefantenwelt. Bis vielleicht Orang-Utans einmal zurückkehren, ist es folglich ein weiter Weg.

Die Wilhelma setzt sich aber ungebrochen für deren Überleben in der Natur ein und verstärkt ihr Engagement noch.

Als wichtige Partnerin im internationalen Artenschutz fördert sie seit zwölf Jahren auf Borneo ein Wiederaufforstungsprogramm, um den "Waldmenschen" - so die Übersetzung von Orang-Utan - durch Kahlschlag geraubten Lebensraum zurückzugeben.

"Dank der tollen Unterstützung unserer Gäste, die bei dem Kauf ihrer Eintrittskarte einen Artenschutz-Euro zahlen, können wir über die nächsten drei Jahre 100.000 Euro in dieses erfolgreiche Zukunftsprojekt stecken", so Kölpin.

 

In den renaturierten Gebieten des Lamandau Wildlife Reserve sind inzwischen bereits wieder Geburten der vom Aussterben hochbedrohten Menschenaffen zu verzeichnen.

Im krassen Gegensatz dazu begann die Orang-Utan-Haltung in der Wilhelma 1962 mit dem Import von Wildfängen - heute undenkbar.

Wildfänge sind mittlerweile verboten und die Zoos untereinander gut vernetzt, um eine sich selbst erhaltende Reservepopulation in menschliche Obhut zu pflegen, die im Zweifelsfall mit Zwischenschritten in der Wildnis wieder angesiedelt werden könnte.

Die ersten Vertreter waren damals Charly, Kiki, Suma und der legendär gewordene Buschi. Er wurde stolze 51 Jahre alt und stellte damit den Altersrekord für männliche Sumatra-Orang-Utans in Europa auf. Mit seinen Kindern, deren Enkeln 2 und Urenkeln steuerte er viele Hoffnungsträger zum Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) bei, in dem inzwischen rund 150 Artgenossen erfasst sind.

Insgesamt kamen in der Wilhelma 22 Jungtiere zur Welt. Seit Buschi 2011 starb, ist er selbst im Staatlichen Naturkundemuseum Stuttgart lebensgetreu für die Nachwelt erhalten, allerdings derzeit nicht in der Dauerausstellung zu sehen.

Von seinen Töchtern leben Moni und Karolin bis jetzt noch in der Wilhelma. Sein auserkorener Nachfolger Moritz blieb trotz Gesellschaft verschiedenster Weibchen ohne Nachkommen.

Weil das Menschenaffenhaus von 1973 zunehmend baufällig wurde, entschieden die Zoologen sich, keinen neuen Zuchtmann zu suchen, sondern die jüngeren Weibchen an andere Institutionen zu vermitteln, in denen sie Hoffnung auf Nachwuchs haben würden.

2016 gingen Conny und Sinta in den Hamburger Tierpark Hagenbeck beziehungsweise den belgischen Zoo Pairi Daiza.

 

Die beiden Älteren, Moni und Karolin, die mit inzwischen 44 und 48 Jahren über das zuchtfähige Alter hinaus sind, behielten zunächst Stuttgart als Ruhesitz, auch als Moritz 2017 starb.

Als klar wurde, dass das alte Bauwerk bald so nicht mehr bewohnbar sein würde, fiel die Entscheidung, das frühere Menschenaffenhaus als Terra Australis zum Schwerpunkt auf den Fünften Kontinent umzubauen.

Somit wohnten die Orang-Utans seit 2017 zur "Untermiete" neben den Gorillas in deren Silberrücken-Gehege.

"Das sollte nie zur Dauerlösung werden", sagt der Direktor. "Zum einen möchten wir die elfköpfige Gorilla Gruppe nicht kleinersetzen und zum anderen ist die Anlage auf die Flachlandgorillas ausgelegt und für die Orang-Utans als Baumbewohner nicht optimal", erläutert Kölpin.

"Umso freudiger ist es, dass wir jetzt auf Empfehlung der EEP-Koordinatorin die drei in gute Hände mit zweckmäßigeren Gehegen weitergeben können."

Zuletzt hatte seit Jahresbeginn Karo und Moni als Gast der junge Batak Gesellschaft geleistet, für den der Tierpark Hagenbeck ein neues Domizil suchte.

Für den Zwölfjährigen sollte die Wilhelma nur ein Zwischenquartier sein. Die EEP-Koordinatorin kennt alle Orang-Utans der kooperierenden Zoos individuell und schlägt jeweils vor, wohin sie bei einem Wechsel nach Alter, Wesen und Verwandtschaft am besten passen.

So kommen sie in Zoos mit langjähriger Erfahrung, in denen sie auf Artgenossen treffen werden, mit denen sie aller Voraussicht nach gut harmonieren. Moni und Karo bleiben zusammen und verbringen ihren Lebensabend im Zoo Planckendael in Mechelen.

Dort wohnen sie künftig in einem modernen Neubau mit vier weiteren Orang Utans. Batak findet sein neues Zuhause in der "Monde Sauvage" bei Lüttich.


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