Die Wochenzeitung im Gespräch mit Altheims Bürgermeister Andreas Koptisch
WZ: Herr Bürgermeister Koptisch, wie geht es der Gemeinde Altheim in der Coronazeit?
Altheim/Albs Bürgermeister Andreas Koptisch: In der Gemeinde Altheim kamen wir bisher nahezu unbeschadet mit wenigen Fällen durch die Pandemie. Die vom Land vorgegebene Systematik der Unterbrechung von Infektionsketten hat hier sehr gut funktioniert, weil man den Ernst der Lage erkennt und verantwortlich mit der Situation umgeht. Soziale Kontakte sind bei uns stark ausgeprägt, allgemein im Ländlichen Raum. Personen in Quarantäne konnten auf ihre Nachbarn, Freunde und Verwandten bei der Versorgung zählen. Für alle Fälle hatten wir von der Verwaltung ein Netzwerk auch mit dem VdK und der örtlichen Nachbarschaftshilfe angeboten, es wurde jedoch nicht gebraucht. Wir haben das Glück, sehr viel Gewerbe am Ort zu haben. Die Handwerksbetriebe sind auch durch Altaufträge derzeit stark nachgefragt. Durch Kurzarbeit und finanzielle Einschränkungen bei Arbeitnehmern könnte es jedoch abhängig von den wirtschaftlichen Einschränkungen in den nächsten Monaten zu einer Konjunkturdelle in der Region kommen. Den durch die Pandemie auch bei uns entstandenen Homeoffice Trend halte ich auch aus ökologischen Gründen für zukunftsfähig. Homeoffice ist nicht weniger produktiv schafft in verschiedenen Bereichen Effizienz: Der Wohnraum wird doppelt genutzt, gleichzeitig müssen Arbeitgeber keinen Büroarbeitsplatz installieren. Die Zeitersparnis durch den entfallenden Arbeitsweg hin und zurück ist auch zu bedenken. Der Gesamt-CO2-Ausstoß verringert sich durch entfallende Nutzung von KfZ. Pausen können besser genutzt werden. Ich glaube, wir müssen wegkommen von dem klassischen Bild des Arbeitsplatzes, weg von der Idee ‚Ich wohne daheim und fahre zur Arbeit'. Die Berufe, die zur Arbeit fahren müssen, wird es natürlich immer geben. Mit PC, Internetanschluss, Scanner und Drucker lässt sich aber in manchen Berufen so gut wie alles von zuhause aus im Homeoffice erledigen. In Altheim vergeht ansonsten fast kein Wochenende ohne kulturelle oder sportliche Veranstaltungen. Das Vereinsleben kam zu Beginn der Pandemie zum Erliegen, da kein Risiko eingegangen wurde. Für die rund 25 Vereine bedeutet das auch finanzielle Einbußen. Der Sommer kam für Veranstaltungen und Proben unter freiem Himmel gelegen, trotz vielen Einschränkungen und großen Aufwands bei eigens erstellten Hygienekonzepten. Eine große Herausforderung wird die Herbst- und Winterzeit.
WZ: Welches sind die Säulen des sozialen Miteinanders und der Naherholung in Altheim?
BM Andreas Koptisch: Traditionen spielen bei uns in Altheim bis heute auch besonders bei den Jugendlichen eine sehr große Rolle. Beispielsweise der Füllestanz als die im Alb-Donau-Kreis älteste durchgängig veranstaltete Tradition. Das Erlebnis wegen Corona richtigerweise auszusetzen ist kaum vorstellbar. Der Umzug wird in original bäuerlicher Tracht durchgeführt. Vor dem Fest ist die Zeit der Vorfreude, nach dem Fest die Zeit des Leidens - bis zum Füllestanz im nächsten Jahr. Das zeigt den enorm hohen Stellenwert. Die Begeisterung und der Stolz, die Tradition samt ihren Regeln fortführen und weitergeben zu dürfen, setzen die jungen Leute in Eigenverantwortung um. Wir feiern am Ort auch die Sichelhenke. Dass all dies im Jahr 2020 nicht stattfinden kann, ist eine Tragödie. Das Marktrecht besitzt Altheim seit Ende des 16. Jahrhunderts. Die Markttradition wird durch Wochenmarkt, Lichtmessmarkt, Herbstmarkt und Weihnachtsmarkt gepflegt, die Bürgerschaft nimmt das sehr gut an. Die Altheimer Vereine sorgen für viele generationenverbindende Angebote. Die Vereinsstrukturen bieten gerade der Jugend Orientierung, schaffen in Zeiten von Smartphone und Internet wertvolle Räume der Begegnung und die Möglichkeit, in Verantwortung zu wachsen. Altheimer Bürger sind unter anderem im Naturschutz sehr engagiert. Die besonders reizvolle landschaftliche Lage Altheims am Naturschutzgebiet, direkt an der ehemaligen Klifflinie, haben wir ausgezeichnete Naherholungsmöglichkeiten in der Altheimer Ebene. 2007 wurden sieben Wander- und Radtouren rund um Altheim geschaffen, die von Bürgerschaft und Besuchern sehr gut angenommen werden. Durch LEADER Förderungen konnten wir Überarbeitungen und eine erweiterte Beschilderung in den letzten Jahren vornehmen. Im Hirschental besteht ein Anknüpfungspunkt zum Albschäferweg. Wir eignen uns als optimaler Ausgangspunkt für Freizeitunternehmungen und Urlaube mit kurzen Wegen zu den Sehenswürdigkeiten der Region. Das Gasthaus Engel mit Drei-Sterne-Beherbergungsbetrieb besitzt einen Biergarten; im Dorfladen-Café kann Rast gemacht werden, die Eisdiele auf den Merkleshöfen lädt zum Verweilen ein, im Gasthof Lamm mit Biergarten in Zähringen kann man einkehren. Der Waldspielplatz wird von Kindern und Familien gerne als Outdoor-Treffpunkt genutzt. Bei genügend Schnee bieten wir Wintersportlern unsere Langlaufloipen. Aus Schneemangel ging der ehemalige Skihang in Altheim vor Jahren außer Betrieb. Aus Naturschutzgründen der Biodiversität entschieden wir uns im Gemeinderat, die Heidefläche des Hanges zu belassen und zum Erhalt durch die Schäfereibetriebe der Familien Gebhard aus Altheim und Banzhaf aus Heldenfingen bewirtschaften zu lassen. Das "Pistenschaf" mit der Pistenschafwolle ist wohl unsere jüngste Marke in Altheim, die schon internationale Kreise gezogen hat. Am Lichtmessmarkt können die Schäfereiprodukte erworben werden und deren kunsthandwerkliche Verarbeitungen durch die Landfrauen. Pro Wollknäul geht ein Euro an ein Förderprojekt für die Wanderschäferei. Auch Schule und Kindergarten haben das Thema aufgegriffen. Vom neuen Schäferkompetenznetzwerk erhoffen wir uns, dass die Wanderschäferei wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit rückt.
WZ: Wie ist die Gemeinde Altheim im Moment infrastrukturell aufgestellt und was entwickelt sich derzeit?
BM Andreas Koptisch: Ein besonderes Altheimer Alleinstellungsmerkmal besteht in der stark ausgeprägten Infrastruktur. Für den täglichen Bedarf seiner 1700 Einwohner bietet Altheim auch für junge Familien ein buntes Portfolio der Nahversorgung, auf kleiner Fläche komprimiert, man braucht nicht einmal ein Auto. Wir haben eine Getränkehandlung, einen Dorfladen, eine Metzgerei, verschiedene Bäckereiangebote, Obstbau und Wochenmarkt. Apotheke, Allgemeinmedizin, Zahnarzt, Logopädie, Stresstherapie, Fitnessangebot. Eine Poststelle, Hermesstelle, zwei Bankfilialen mit Personal, diverse Dienstleister, eine Tankstelle, viele Gewerbebetriebe, eine Vermittlung für Ambulante Pflegedienste und vieles mehr. 2021 soll das neue Seniorenheim Haus Christophorus in Betrieb gehen. Ein erweitertes Angebot wird in Gerstetten oder Langenau, Heidenheim oder Ulm wahrgenommen. Altheims Orientierung nach Ulm hin ist historisch gewachsen. In den letzten Jahren hat sich das jedoch durch Schülerkontakte in der Freien Realschule Altheim/ Alb und ein verändertes Mobilitätsverhalten gelockert. Das Einzugsgebiet der Freien Realschule Altheim/Alb reicht weit in den Alb-Donau-Kreis und den Landkreis Heidenheim (über 50 Prozent der Schüler) bis nach Herbrechtingen, Giengen, Hermaringen, Sontheim, Gerstetten. Zwei Kindergärten mit Kinderkrippe bieten Kinderbetreuung von 7 bis 17 Uhr, in der Nachbargemeinde Weidenstetten gibt es eine zweizügige Grundschule unseres Grundschulverbandes, mit dem Bus drei Minuten entfernt.
WZ: Herr Bürgermeister Koptisch, was planen Sie für Altheim aktuell und mittelfristig in den nächsten zehn Jahren?
BM Andreas Koptisch: In Altheim bestand immer der Wunsch nach Weiterentwicklung. In den letzten zehn Jahren konnten wir da nochmals einen großen Sprung nach vorne machen, zum Beispiel wieder einen Zahnarzt ansiedeln, einen Dorfladen bereitstellen. Mit dem neuen Seniorenheim schließt sich 2021 der Kreis für die generationenübergreifenden Angebote in Altheim. Für den Moment haben wir das finanziell Leistbare soweit aufgebaut. Mit den Punkten, die noch nicht fertiggestellt sind, werden wir die nächsten Jahre beschäftigt sein. Wir arbeiten derzeit stark am Glasfaserausbau, die ersten Gebiete sind bereits versorgt. Das wird eine der großen Aufgaben der nächsten Jahre sein. Bereits in den letzten Jahren tun uns die Entwicklungen Oberkochens (z.B. Zeiss) und Ulms (z.B. Bundeswehr, Polizei) als Region gut. Wir erfahren eine große Nachfrage für Baugrund durch deren Arbeitnehmer. Für 2 Millionen Euro haben wir Grund erworben und sind gerade dabei, ein neues Wohnbaugebiet mit knapp acht Hektar für 80 bis 90 Einfamilien-Bauplätze in mehreren Bauschritten zu realisieren, dazu gibt es Raum für Bauprojekte von Investoren im Geschosswohnungsbau. Zudem werden wir versuchen, neue Gewerbeflächen auszuweisen. Trotz hoher Nachfrage können wir derzeit keine Flächen anbieten, da alles ausverkauft ist. Ein weiteres wichtiges Thema der kommenden Jahre ist die Kanal-, Gehweg- und Straßensanierung, sowie die Ortskernsanierung mit Unterstützung des Landessanierungsprogramms. Eigentümern wollen wir bis mindestens 2027 die Gelegenheit bieten, ältere Gebäude im Ortskern mit Landesfördermitteln zu modernisieren. Die Freie Realschule Altheim/ Alb mit 23 Lehrkräften und über 230 Schülern plant einen Erweiterungsbau auf einem angrenzenden Grundstück. Ein langfristig wirksames Novum wird Bürgerinnen und Bürgern ab 2021 zudem neue Möglichkeiten eröffnen: Der von der Freien Realschule mit Unterstützung des Alb-Donau-Kreises eingerichtete Busverkehr für Schüler bis Herbrechtingen wird ab dem Fahrplan 2021/22 auch für schulunabhängige Nutzung ausgebaut. Der ÖPNV Zugang zur Brenzbahn wird dadurch geschaffen. In der Gegenrichtung erfolgt ein zeitgleich verbesserter Anschluss an die Bahnlinie nach Geislingen/Stuttgart. Eine zweite Sporthalle wäre natürlich ein Traum, um die vielen Angebote im Sportbereich unserer Vereine zu unterstützen, ist aber finanziell nicht leistbar. Mit neuen Naherholungsplänen wie der Realisierung eines Fitnesspfades und Fun-Parks werden wir uns kommunalpolitisch beschäftigen, sobald wir nach den größeren Projekten die finanziellen Mittel dafür frei haben. Das kann aber ein paar Jahre dauern. Als Verantwortliche und als Bevölkerung müssen wir unser Augenmerk durch die Pandemie im Moment verstärkt auf unsere Pflichtaufgaben lenken.
WZ: Herr Bürgermeister Koptisch, worüber freuen Sie sich in Altheim besonders? Auf welche Errungenschaften während Ihrer bisherigen Amtszeit sind sie stolz?
BM Andreas Koptisch: Ich freue mich besonders darüber, dass wir in Altheim ein funktionierendes Sozialgefüge haben, dass man sich kennt und aufeinander achtgibt. Ich bin stolz darauf, dass man hier als Familie gut leben kann. Dass man ein Kind auch alleine ein, zwei Straßen weiter zum Freund gehen lassen kann. Das ist eine Stärke des Ländlichen Raumes, deren Wert man nicht ermessen kann. Das ist einfach da, es ist ein Lebensgefühl. An viele gelungene Projekte in meiner bisherigen Amtszeit erinnere ich mich sehr gerne. Über den Glasfaserausbau freue ich mich, DSL 50.000 flächendeckend. Das hat in der interkommunalen Zusammenarbeit gut funktioniert. Die Freie Realschule. Für die Altheimer Familien ist dieses Angebot großartig und zudem ein guter Werbeträger, sowie eine weitere Stärkung unseres nördlichen Alb-Donau-Kreises - hier haben Eltern die Auswahl. Das Medizinische Zentrum in der Ortsmitte, das im Bau befindliche Pflegeheim sind weitere Projekte. Wenn solche Projekte gelingen, motiviert das besonders und zeigt, dass manches auch im Kleinen umsetzbar ist und nicht nur in großen Kommunen möglich ist.
WZ: In einem zeitaufwändigen Amt - wie finden Sie den nötigen Ausgleich in Ihrer Freizeit?
BM Andreas Koptisch: Das Persönliche in kleineren Kommunen ist gleichzeitig auch das Schöne. Man kennt sich, kennt die Themen der Menschen, ist unterwegs, kommt ins Gespräch, ist Ansprechpartner. Die Herausforderung, den eigenen Ausgleich zu finden, liegt in der Natur dieser Sache und gelingt mit Familie sicher nicht immer. Als Familie schätzen wir die Naherholungsmöglichkeiten der Umgebung, gehen gerne wandern und radfahren oder unternehmen etwas in der Region. Auf diese Art verbringen wir gerne unsere gemeinsame Zeit.
dast